Selbst ist die Frau?

An einem Dienstagnachmittag sind mein Mann und unsere Enkeltochter unterwegs zum Spielplatz. Dabei wandern sie zusammen einen Feldweg entlang, der unsere Süße an etwas erinnert. „Opa, ich würde gerne mal wieder eine Nachtwanderung machen,“ meint sie. Denn auf just diesem Feldweg sind die beiden bei einer solchen nächtlichen Aktion miteinander gegangen. „Na, da musst du mal wieder bei uns übernachten,“ erwidert mein Mann. Nun hatte ich unserer Enkelin gerade erst am Tag vorher erzählt, dass ihre Mama und sie nächste Woche während einer Reise meines Mannes zusammen bei mir „Urlaub“ machen würden. „Nächste Woche übernachte ich doch bei euch“, ist darum ihre kluge Antwort. „Ja, aber da bin ich ja nicht da. Du müsstest dann mit deiner Mama zusammen die Nachtwanderung machen,“ klärt mein Mann sie auf. Worauf sie erwidert: „Ach ja, wir kümmern uns dann ja um Nana (so nennt sie mich). Sonst machst du das ja. Du bist ja ihr Butler!“

Noch tagelang haben wir über diese Aussage unserer Enkeltochter geschmunzelt. Keine Ahnung, wie eine Sechsjährige in der heutigen Zeit auf den Ausdruck „Butler“ kommt, aber als ich mir zufällig die Definition des Wortes „Butler“ anschaute, kam ich ins Nachdenken: „Diener in einem vornehmen Haushalt“, steht da geschrieben. Nun geht es mir gar nicht so sehr um das Wort „Diener“ per se in dieser Definition. Doch, auch wenn ich meinen Mann definitiv weder als meinen Diener betrachte noch ihn hoffentlich so behandele, muss er mir oft „dienen“, um meine körperlichen Defizite auszugleichen. Und um ehrlich zu sein, ist das etwas, das ich über die Jahre lernen musste: Mir dienen lassen. Denn, ich mache meine Dinge lieber selbst. Ich möchte nicht abhängig von der Hilfe anderer Menschen sein. Nein: Selbständigkeit, Eigenbestimmtheit, Unabhängigkeit sind Worte, die mir viel näher sind. Ich mag es nicht, wenn ich von anderen bedient werden muss, wenn ich auf Hilfe angewiesen bin. Und vermutlich geht es vielen von uns so. Es ist oft leichter, anderen zu helfen, als sich helfen zu lassen.
Selbständigkeit und Unabhängigkeit sind tolle Dinge, aber manchmal können sie auch ein Kennzeichen von Stolz sein. Zumindest bei mir, denn ich bitte nicht gerne um Hilfe und inzwischen kann ich es zwar besser, aber noch immer fällt es mir manchmal schwer, dass ich mir so oft helfen lassen muss. Dabei ist die Kehrseite ja die, dass es dem, der dient auch Freude bringen kann zu helfen, er sich dadurch irgendwie gebraucht fühlt. Wenn da nur nicht mein Stolz immer wieder dazwischen grätschen würde …

Diese „Hilfsbedürftigkeit“ von mir führt dann an der einen oder anderen Stelle zu berührenden Begegnungen. Vor ein paar Wochen stand ich im Rollstuhl an einem Frühstücksbuffet und hörte hinter mir plötzlich eine Stimme, die sagte: „Wenn du irgendwo Hilfe brauchst, sag es mir einfach.“ Die Worte kamen von einer Person, der es gesundheitlich selbst nicht gut geht. Trotzdem war diese Person bereit, mir „zu dienen“. Sehr berührend!

Hast du dir heute schon „dienen“ lassen?

Die Übermittlung kann ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Danke für deine Geduld.