Neues Wagnis

Zwei Stunden in der Woche sind bei mir in der Regel für den Besuch meiner Physiotherapeutin reserviert. Ich bin sehr dankbar, dass sie dafür zu mir nach Hause kommt.
An einem Januarmorgen während ich bei der Behandlung auf der Liege lag, fiel mein Blick aus unserem Wohnzimmerfenster durch den Kirschbaum hindurch auf eine dahinterstehende Himalaya Zeder. Ich stutzte und sah nochmal genauer hin. Tatsächlich in vielleicht acht Metern Höhe saß auf dem Wipfel der Zeder ein großes Etwas. Angestrengt versuchte ich zu erkennen, was es ist. Ein Graureiher! Ganz oben auf der Spitze des Baumes saß ein Graureiher! Ich musste schmunzeln, denn es sah wirklich lustig aus, wie der große Vogel versuchte auf dem nicht ganz so stabilen obersten Ast des Baumes seine Balance zu halten. Immer wieder wankte er hin und her in dem Versuch eine sichere Position auf dem Baum zu finden. Mir war schnell klar, welches Ziel der große Vogel ins Visier genommen hatte: Unseren Gartenteich indem sich eine heimische Fischart angesiedelt hat. Da Graureiher sehr vorsichtige Vögel sind und bei der kleinsten Gefahr oder Bewegung sofort das Weite suchen, hatte dieser Besucher es vorgezogen, die Umgebung erst einmal aus sicherer Höhe zu betrachten und auszukundschaften. Die Sehnsucht nach einem Frühstück war vermutlich groß, aber die Vorsicht und Angst vor potentiellen Gefahren war größer.

Vielleicht geht es dir wie diesem Vogel. Du hast ein Ziel vor Augen. Es mag etwas geben, was du tun oder ändern möchtest. Du weißt genau was es ist – möglicherweise ist es sogar ein Lebenstraum. Aber du zögerst. Du hast Angst den nächsten, den ersten Schritt zu gehen. Zu viel steht auf dem Spiel. Lieber bleibst du in sicherer Entfernung erst einmal sitzen, auch wenn dein derzeitiger Weg „wankt“ und du eigentlich nicht mehr gut darauf unterwegs bist. Die Unsicherheit und Angst vor dem, was dieser neue Weg mit sich bringen könnte, halten dich zurück. Vor deinem inneren Auge entstehen Szenarien, die dich in Panik versetzen. Meistens sind es Fragen wie: Was wird diese oder jene Person sagen, wenn ich diesen Schritt gehe? Was ist, wenn ich versage und hinterher erkennen muss, dass dieser neuen Weg sich doch nicht als so toll erweist? Will ich wirklich das Vertraute des alten Weges aufgeben? Und so sitzt du auf deiner „Zeder“ und schaust sehnsüchtig auf das Neue, wagst es aber nicht loszugehen.

Irgendwann nach einiger Zeit wagte er es: Ich sah den Graureiher vorbeifliegen und er landete vermutlich am Teichrand (was ich von meiner Liege aus allerdings nicht sehen konnte).

Ich wünsche dir und mir, dass auch wir den Mut haben Neues zu wagen und Altes, das vielleicht für eine lange Zeit gut war, jetzt aber nicht mehr passt, hinter uns zu lassen. Den ersten, mutigen Schritt zu wagen. Und ich wünsche uns, dass wir auf diesem neuen Weg entdecken, dass Gott auch dort unsere Hand festhält und uns nie verlässt.

„Bleibt nicht bei der Vergangenheit stehen! Schaut nach vorne, denn ich will etwas Neues tun! Es hat schon begonnen, habt ihr es noch nicht gemerkt? Durch die Wüste will ich eine Straße bauen, Flüsse sollen in der öden Gegend fließen.“

Jesaja 43, 18b +19 (Hoffnung für alle)

Die Übermittlung kann ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Danke für deine Geduld.